15.04.2016

Gekappte Lebensadern

Ob Rote oder Schwarze, Jamaikakoalitionäre oder Große Koalition: Gewarnt wurden alle Landes- und Kommunalpolitiker schon seit vielen Jahren! Seit festzustellen war, dass die realen Bauinvestitionen im Hoch- sowie im Straßen- und Tiefbau kontinuierlich im Bund, Land und in den Kommunen zurückgefahren wurden, weist der AGV Bau Saar darauf hin, dass dadurch immense Schäden entstehen werden. Welche Schäden eintreten können, zeigt die Situation der beiden großen Brücken der A6 vor den Toren Saarbrückens. Der materielle Schaden ist bereits enorm.

Der Imageschaden ist nicht mehr gutzumachen und die Auswirkungen treffen das ganze Land und die Region! ... auf viele Jahre, vielleicht Jahrzehnte!

Manche haben sogar die Befürchtung geäußert, dass dadurch auch Menschen zu Schaden kommen werden. Die Vorkommnisse auf den vollkommen überlasteten und dafür nicht vorgesehenen Umgehungsstraßen zeigen, dass dies nicht von der Hand zu weisen ist. Es scheint eine nur Frage der Zeit, wann es unter diesen Umständen zu Personenschäden kommen wird.

Ein Fahren auf Verschleiß führt zum Totalschaden. Das gilt beim Auto genauso wie bei Bauwerken.

Der Verband hat daher massiv immer und immer wieder vor solchen Zuständen gewarnt. Die Hinweise aus der Politik hat er nicht gelten lassen, gleich von welcher politischen Richtung sie geäußert wurden, dass kein Geld vorhanden sei, um die notwendigen und gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Dieses Argument ist unaufrichtig. Geld wurde an anderer Stelle ausgegeben und teilweise verschwendet. Wenn es um die Vorfinanzierung von Planungskosten zur Abberufung von Bundesmitteln ging, dürfen diese schon erst recht nicht irgendwelchen Sparzwängen zum Opfer fallen. Die ausreichende und vor allen Dingen qualifizierte Ausstattung der mit der Planung und Überwachung zuständigen öffentlichen Stellen, sei es im Tief- und Straßenbau oder im Hochbau, muss kontinuierlich sichergestellt werden. Dies hat höchste Priorität.

Die Situation ist nicht aktuell prekär geworden, sie ist es schon seit etlichen Jahren. Die Sperrung der Fechinger Brücke macht es nur für alle sichtbar. Gleiches gilt jedoch auch für die maroden Kanalsysteme im Saarland, die einen Investitionsbedarf von rund 1 Mrd. Euro haben. Schon kam es in der jüngsten Vergangenheit immer wieder zu Zwischenfällen durch marode Kanäle – so in Mettlach geschehen, wo kurz vor Weihnachten 50 Meter Kanal einfach eingebrochen sind -, da Investitionen in Baumaßnahmen schlichtweg unterblieben sind. Inwiefern es dabei zu Umweltbelastungen etwa durch Leckagen oder Trinkwasserverunreinigungen kam, wurde nicht bekannt – ist aber höchstwahrscheinlich.

Aus dem Bereich des öffentlichen Hochbaus beklagte die Saar-Universität im vergangenen Juni einen Sanierungsstau in dreistelliger Millionenhöhe, fast die Hälfte der Gebäude auf dem Campus der Saar-Uni muss dringend saniert werden. Auf der Prioritätenliste stünden, so Unipräsident Linneweber, etwa 30 Baustellen, häufig gelinge es jedoch nicht einmal die absoluten Notfälle anzupacken (so geschehen beim Gebäude C 4.1 der Anorganischen Chemie, das vor einigen Jahren kurzfristig geräumt werden musste, da es nach den Winterferien von innen vereist war. Eine Komplettsanierung war aus finanziellen Gründen nicht möglich, daher ließ man zwei Stockwerke des entkernten Gebäudes im Rohzustand).

Weiteres, gleichfalls dramatisches Beispiel ist die Schließung der Grundschule in Perl-Besch, weil sich die Kommune die Sanierung des maroden 60er Jahrebaus in Höhe von mehr als 1 Mio. Euro nicht leisten kann. Probleme hat die Kommune auch bei ihrem zweiten Schulstandort in Perl, der – dank Bundesmittel – bereits zum Teil saniert ist und immer noch einen Investitionsbedarf von 600 T€ aufweist. Ähnliche Probleme gibt es in Uchtelfangen. Drohen nun weitere Schulschließungen? Das Saarland investiert pro Schüler gerade einmal 200,- € in Bildung - im Gegensatz zum Bundesdurchschnitt von 400,- Euro. Sollte es auch hier nicht trotz Schuldenbremse zu einem Umdenken kommen? Bund und Land sollten ihre Prioritäten endlich verschieben und nicht zusätzlich gewonnene oder im Rahmen von Notfällen einzusetzende Mittel nur umverteilen! Man kann sich auch kaputt sparen!

Es ist unverantwortlich, sich als Politiker dieser Erkenntnis zu verweigern.

Dass die Bauwirtschaft seit Jahren dieses „Fahren auf Verschleiß“ anprangert und Investitions- und Sanierungsinvestitionen fordert, wurde lange Zeit als naturgegeben angesehen. Zunehmend prangern dies nun aber auch Wirtschaftsverbände, Wirtschaftsinstitute und zuletzt ein von der IHK Saarland veröffentlichtes Papier an. Demzufolge fehlen im Vergleich zu anderen Bundesländern im Saarland pro Jahr 110 Millionen Euro für Investitionen, die Ausgaben für Verkehr, Hochschulen und die Förderung der Wirtschaft seien real um 50 % gesunken. Um den Substanzverlust von Straßen, Schulen, Verwaltungsgebäuden oder Kanälen zu stoppen, müssten für Sachinvestitionen eigentlich 456 Euro je Einwohner ausgegeben werden, tatsächlich sind es jedoch nur 276 Euro, die das Land und seine 52 Kommunen aufwenden.

Dem ist nichts hinzuzufügen!

Daher erwartet der AGV Bau Saar nun von den Verantwortlichen beherztes und mutiges Handeln, keine Energie- und Kraftverschwendung bei der Suche nach Schuldigen. Das Gleiche erwartet die Bauwirtschaft von den weiteren Institutionen und Organisationen, die zu beteiligen sind (Denkmalschutz, Naturschutz etc.).

Die saarländische Bauwirtschaft leidet mit der gesamten saarländischen Wirtschaft darunter, dass die Lebensadern des Wirtschaftsraums, das sind nun mal die Verkehrswege, an ganz wichtigen Stellen derzeit gekappt sind. Dieser Zustand muss so schnell wie möglich beendet werden.

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