11.12.2017

Bauwirtschaft: Drei große Baustellen in Deutschland

· Investitionen in Wohnungsbau und Infrastruktur sowie Verbesserung der Rahmenbedingungen gefordert

„Es gibt in Deutschland drei große Baustellen, an denen die Politik im Interesse von Arbeitsplätzen und Wohlstand am dringendsten arbeiten muss!“ Mit dieser Aussage stellte die Bundesvereinigung Bauwirtschaft ihre Erwartungen an die Politik der 19. Legislaturperiode auf dem 5. Deutschen Bauwirtschaft in Berlin vor und suchte den Dialog mit Politikern verschiedener Parteien, u.a. mit dem EU-Kommissar Günther Oettinger und dem Vorsitzenden der Freien Demokraten, Christian Lindner.

Die erste Baustelle ist der Wohnungsbau. „Die Wohnungsnot ist hausgemacht! Der Staat ist daher jetzt auch in der Pflicht, ihr auf allen drei staatlichen Ebenen entgegenzuwirken“, so Karl-Heinz Schneider, Vorsitzender der Bundesvereinigung Bauwirtschaft. Mit der Mietpreisbremse würde keine einzige Wohnung gebaut! „Wie kostengünstiger gebaut werden kann, haben wir in einer Vielzahl von Papieren niedergelegt, darunter auch im Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen bei Bauministerin Dr. Barbara Hendricks. An erster Stelle fordern wir die Erhöhung der AfA von zwei auf mindestens drei Prozent. Dazu gehört für uns auch, dass wir endlich über Standards und technische Anforderungen nachdenken, die wir an den Wohnungsneubau stellen. Mit der derzeit gültigen EnEV haben wir einen Niedrigstenergiestandard erreicht, mit dem Deutschland im europäischen Kontext weit vorne ist. Eine weitere Verschärfung der EnEV hin zu einem Passiv- oder gar Plusenergiehaus würde einen Kostenanstieg bedeuten, der diesen letzten Schritt zumindest jetzt nicht rechtfertigt.“ Die BVB kritisierte auch die Politik und ihre erfolglosen Versuche in den vergangenen Jahren, eine steuerliche Förderung für Modernisierungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen.

Als zweite Baustelle nannte Schneider die öffentliche Infrastruktur. „Auch hier gilt: Der Staat ist über Jahrzehnte auf Verschleiß gefahren! Allein die kommunale öffentliche Infrastruktur schiebt ein Investitionsvolumen von rund 130 Mrd. Euro vor sich her. Hier rächt sich, dass in den vergangenen Jahrzehnten erheblich Personal in Bauämtern und Straßenverwaltungen abgebaut wurde. Jetzt, wo der Fachkräftemangel schon um die Ecke schaut, ist es für die öffentliche Verwaltung schwierig, Bauingenieure und andere Fachkräfte zu finden. „Jetzt fehlt auch der ausführenden Bauwirtschaft ein sach- und fachkundiges Pendant bei öffentlichen Aufträgen“, so Schneider.

Die dritte Großbaustelle sind für die Bauwirtschaft die Rahmenbedingungen
für die Unternehmer. Schneider warnte davor, die Kostenbelastung des Faktors Arbeit weiter zu erhöhen. Er verwies auf PROGNOS, wonach der Sozialver-sicherungsbeitrag zügig auf 50 Prozent steigen könnte, allein aufgrund der demografischen Entwicklung, weniger Fachkräfte und mehr Rentner. Er forderte daher eine neue Bundesregierung auf, „alles Notwendige dafür tun, die Sozialbeiträge dauerhaft auf 40 Prozent zu begrenzen.“ Bezogen auf die derzeit vorhandenen 60 Mrd. Euro Rücklagen fordert Schneider, die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung 2018 zu senken und die Vorfälligkeit der Rentenbeiträge endlich wieder abzuschaffen. Außerdem forderte die Bundesvereinigung Bauwirtschaft Investitionen nicht nur in die Bildungsinfrastruktur, sondern „auch in die Köpfe“. „Wir müssen vor allem wegkommen von der Akademisierung, die unser Land in den vergangenen Jahrzehnten geprägt hat. Denn es ist ein Irrglauben, dass ein schlechter Akademiker besser sei als ein guter Handwerker. Jeder junge Mensch sollte die Schule mit einem Abschluss in der Tasche verlassen und eine Berufsausbildung absolviert haben,“ so der Vorsitzende.

Zum Abschluss ging Schneider noch auf ein Thema ein, dass „wie kein anderes das Herz unserer Branche berührt“: die Meisterpflicht als Voraussetzung zur Unternehmensgründung. „Die damalige Entscheidung, Handwerksberufe, darunter Fliesenleger, Raumausstatter und Rollladen- und Sonnenschutztechniker und weitere Berufe, meisterfrei zu stellen, war ein großer Fehler. Wir wissen natürlich, dass es keine vollständige Revision der HwO-Novelle geben wird. Aber es muss überprüft werden, wo es zu Fehlentwicklungen gekommen ist, und in welchem rechtlichen Rahmen Korrekturen möglich sind. Hier ist die Politik dringend gefordert.“

Schneider kritisierte auch die lange Zeit der Regierungsbildung. „Normalerweise sagt man, dass nur die ersten beiden Jahre einer Legislatur für grundsätzliche Projekte genutzt werden können. Wenn man aber mehr als ein halbes Jahr für die Regierungsbildung benötigt, dann verkürzt sich die Zeit für Reformvorhaben doch deutlich.“

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