22.04.2021

Baumaterialpreissteigerungen belasten zunehmend Baugeschehen im Saarland

Aktuell kommt es am Weltmarkt und in Deutschland zu explosionsartigen Preisanstiegen insbesondere bei den Stahlprodukten und Bitumen, aber auch bei Holz- und Dämmstoffmaterialien. Die Gründe dafür sind vielfältig und von den Betrieben der Bauwirtschaft nicht lenk- bzw. vorhersehbar. Dazu RA Christian Ullrich, stv. Hauptgeschäftsführer des AGV Bau Saar: „Nimmt das kein Ende, dann werden die Mehrkosten schon bald den Endverbraucher erreichen. Eine Mehrzahl der Firmen hat die Mehrkosten bisher noch nicht an die Endverbraucher weitergegeben, sondern die Preise stabil gehalten. Aufgrund der hohen Steigerung sehen sich jedoch Betriebe vermehrt gezwungen, die gestiegenen Preise in Zukunft an die Endverbraucher weiterzugeben“.

Die Baumaterialpreise lagen im März 2021 durchschnittlich um rund 20 % über dem Niveau von Dezember 2020. Es besteht somit die Gefahr, dass die – in den vergangenen Jahren mühsam aufgebaute – Eigenkapitalausstattung bei sinkenden Margen wieder abschmilzt und das Insolvenzrisiko im Baugewerbe wieder steigt. Nach einem moderaten Preisanstieg 2020 für Leistungen des Bauhauptgewerbes von 1,3 % (aufgrund der Corona-bedingten schwächeren Nachfrage vor allem im Straßen- und Wirtschaftshochbau sowie der MwSt.-Senkung im zweiten Halbjahr 2020) ist 2021 mit einem Preisanstieg von 20 % zu rechnen. Bei weiter steigenden Baumaterialpreisen wird dieser Preisanstieg aber nicht ausreichen, um die gestiegenen Kosten abzufedern.

Einem übermäßigen Anstieg der Stahlpreise sieht sich Joachim Reinert, Geschäftsführer der Bauunternehmung Reinert GmbH in Merzig, bereits seit Jahresbeginn ausgesetzt.  „Dieser trifft insbesondere den Hochbau sehr stark“. Ein Grund könne in den offenbar begrenzten Lieferkapazitäten der Hersteller wegen der wieder anziehenden Nachfrage im Automobilsektor und im Maschinenbau liegen. Auch die wieder anziehende Konjunktur in Asien führe zu steigenden Rohstoffpreisen; so ist der Erzeugerpreis für Draht aus Kupfer binnen Jahresfrist um 18,6 % gestiegen. Gleichzeitig wurden aber in Zeiten jahrelang stagnierender Preise Überkapazitäten abgebaut und Investitionen zurückgefahren. Dazu kommt ein wachsendes Interesse von Investoren an Rohstoffen, insbesondere Öl und Industriemetalle, welche als Absicherung gegen Inflation dienen. Auch wurde vermehrt über „Hamsterkäufe“ zur Vorbeugung weiterer Preissteigerungen berichtet, welche die Nachfrage und somit die Preise erhöhten.

„Mit der Verknappung des Rohstoffs für Kunststoffgranulate und der draus resultierenden Lieferschwierigkeiten für insbesondere Kunststoffrohre sieht sich gerade der Straßen- und Tiefbau konfrontiert. Zudem kommt es in diesem Bereich zu Preissteigerungen von zum Teil 20 bis 30 %“, so Dirk Emser, Vorstand der Backes Bauunternehmung AG & Co. KG in Tholey. „Dies führt bereits heute dazu, dass wir für den Tiefbau faktisch keine Kunststoffrohre mehr beziehen können und die Händler keine Aufträge mehr annehmen bzw. es zu deutlichen Lieferverzögerung kommt“.

Insbesondere das Dachdeckerhandwerk, aber auch die Zimmerer sind von exorbitanten Preisanstiegen bei Holz und Dämmstoffen betroffen, weiß der Landesinnungsmeister der Dachdeckerinnung Peter Braeuning zu berichten: „Die Preissteigerungen liegen bei zum Teil 100 % gegenüber dem Vorjahreswert“. Der enorme Anstieg der Holzpreise wird weitgehend von schlechten Ernten auf dem amerikanischen Holzmarkt und notwendigen Zukäufen aus Kanada, dem Bauboom in China und der infolge des Klimawandels reduzierten Holzproduktion in Skandinavien bestimmt. Die Märkte stehen deshalb unter hohem Preisdruck und werden teilweise von aggressivem Kaufverhalten geprägt. Russland beschränkt die Holzausfuhr, um die Wertschöpfung im eigenen Land zu belassen. National kommen erhebliche Probleme durch den Borkenkäferbefall und die gesteigerte Verwendung von Holz als ökologischem Baustoff sowie für den Betrieb von holzbestückten Heizungen hinzu.

„Der ebenfalls sehr hohe Anstieg der Dämmstoffpreise belastet neben dem Dachdeckerhandwerk insbesondere auch das Stuckateurhandwerk“, so Oliver Heib, Landesinnungsmeister der Landesinnung Stuck-Putz-Trockenbau Saar. Dieser ist gleichsam auf das Verhalten in den globalen Lieferketten und dem Ausfall einer großen Produktionsanlage von Rohstoffen für die Herstellung von EPS-Dämmstoffen in Europa zurückzuführen. „Wir beobachten, dass die Dämmstoff-Produktion - neben dem Preisanstieg - dem Niveau des von Kunden eingereichten Bedarfs angepasst wird.“, so Oliver Heib weiter. „Zusätzliche Mengen zu bekommen ist deshalb für EPS-Verarbeiter wie auch für die Stuckateure und die Dachdecker sehr schwierig. Zugleich zieht die Anfrage u.a. bei den Autozulieferern wieder an. In Zeiten der Pandemie werden darüber hinaus mehr Lebensmittel in EPS-Verpackungen geliefert oder online verschickt“.

„Als ein weiterer Kostentreiber entpuppt sich – entgegen der Ankündigungen aus der Politik - die Mauterweiterung“, informiert AGV Bau Saar-Hauptgeschäftsführer Claus Weyers.  Die Preiserhöhung beträgt im Schnitt fünf Prozent. „Bei einem Eigenheim mit 120 qm Wohnfläche plus Keller“, so Weyers weiter „betragen die Materialkosten durchschnittlich 150.000 Euro. Durch die Ausweitung und Anhebung der Lkw-Maut müssen künftig rund 7.500 Euro mehr bezahlt werden. Die Mauterhöhung trifft damit ausgerechnet jene Bauunternehmen am härtesten, die ihren Fuhrpark im Vertrauen auf die bisherige Förderpraxis auf moderne, schadstoffarme Fahrzeuge der Euronorm 5 oder 6 umgestellt haben. Diese hohen Investitionen rechnen sich nun nicht mehr, weil zum einen die Förderung wegfällt und zum anderen die Mauterhöhung pro gefahrenem Kilometer für große Transporter mit Euro-6-Motor prozentual deutlich stärker ausfällt als für vergleichbare ältere Brummis mit Schadstoffnorm Euro 4“.

Zusätzliche Kostentreiber sind auch immer strengere Schall- und Brandschutzvorschriften, die verschärfte Energieeinsparverordnung, die Erhöhung der Grunderwerbsteuer von 3,5 auf 5 % sowie die gestiegenen Entsorgungskosten wegen fehlender Deponien im Land.

Preissteigerung gefährdet Sanierungsoffensive

Durch die starken Preiserhöhungen befürchtet die Bauwirtschaft eine Nachfragezurückhaltung im Privatkundensektor. RA Christian Ullrich dazu abschließend: „Dies ist jedoch gerade jetzt der falsche Zeitpunkt, ist es doch Ziel der Politik, im Zuge der Klimapolitik die Sanierung an Gebäuden voranzutreiben. Soll Wohnen wirklich bezahlbar bleiben, wie so häufig aus Kreisen der Politik zu vernehmen ist, ist es neben der Entschärfung der EnEV dringend geboten, die bereits bestehend Fördermaßnahmen auszuweiten bzw. zu erhöhen“.

Für weitere Fragen kontaktieren Sie uns unter

RA Christian Ullrich, stv. Hauptgeschäftsführer AGV Bau Saar
Tel. 0681 3892526
Mail: c.ullrich@bau-saar.de

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