03.12.2015

Aktionsmöglichkeiten und Gestaltungsspielräume nutzen!

Anlässlich der Jahresabschluss-Pressekonferenz des AGV Bau Saar am 04.12.2015 gab AGV Bau Saar-Präsident folgendes Statement ab:

AGV Bau-Präsident Hans-Ludwig Bernardi und HGF Claus Weyers im Gespräch mit Journalisten

Die Bauwirtschaft brummt. So könnte es man angesichts der vielen Straßenbaustellen und der im Rahmen der Flüchtlingskrise geflossenen Auftragseingänge bei den Betrieben der Ausbaugewerke vermuten.

Nachdem die Ordertätigkeit in den ersten sieben Monaten dieses Jahres nur sehr zögerlich anlief, sieht sich die saarländische Bauwirtschaft derzeit einer guten Auftragslage gegenüber. Im September lag der Auftragseingang insgesamt  34,6 % über dem Vorjahresmonat; im Jahresmittel meldet das Statistische Landesamt für das Saarland ein Plus von 3,7 % für die Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten. Bei aller gebotenen Vorsicht angesichts solch hoher Einzelwerte schöpfen wir langsam die Hoffnung, zum Jahresende eine solide Steigerung der Ordertätigkeit vermelden zu können.

Diese momentan gute Auftragslage spiegelt sich allerdings  noch nicht im Umsatz wieder. Während der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie in seiner aktuellen Presseinfo von einem  „gelungenen Start in den Herbst“ und einem Umsatzplus in allen Bausparten spricht, sieht dies bundesweit und auch im Saarland für die kleinstrukturierten Betriebe anders aus.

So veröffentlicht der Hauptverband Bauindustrie seit kurzem nur noch die – statistisch fundierten Daten – der Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten. Mit einem Minus von 1,7 % über alle Betriebsgrößen hinweg (gegenüber einem Plus von 0,5 % bei den Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten) stellt sich bundesweit der Umsatzeinbruch bei den kleinstrukturierten Betrieben in den ersten neun Monaten wesentlich höher dar. Das Gleiche gilt für das Saarland: Hier meldet das Statistische Landesamt des Saarlandes für alle Betriebe in den ersten neun Monaten ein Umsatzminus von  7,1 % gegenüber dem Vorjahr. Ein Monat vor Jahresschluss steht für uns im Saarland das von den Spitzenverbänden der Bauwirtschaft zu Jahresbeginn prognostizierte Umsatzplus von 2 % noch in weiter Ferne.

Dabei gäbe es hinreichend Aufträge. Auf die Notwendigkeit von Investitionen weisen wir seit vielen Jahren hin. Die Investitionsquote der öffentlichen Hand ist nachhaltig negativ. Wir haben seit vielen Jahren, und zwar bevor die ersten Brücken in Deutschland gesperrt werden mussten, davor gewarnt, dass ein ständiges Zurückfahren bzw. unterbliebenes Aufstocken von Investitions- und Sanierungsinvestitionen dazu führen wird, dass unser tägliches Leben und auch die Wirtschaft darunter wird leiden müssen. Wie wichtig eine funktionierende Infrastruktur für den Wirtschaftsstandort Deutschland und auch den Wirtschaftsstandort Saarland ist, wird durch die Schäden, die durch die unterlassene Investitionstätigkeit entstanden sind, tagtäglich vorgeführt. Der Zustand der öffentlichen Gebäude, der Zustand unseres Kanalsystems, die Sanierung und Entwicklung unserer Stadtkerne und losgelöst von der Flüchtlingsfrage die Schaffung bezahlbaren Wohnraums sind nur einige Bereiche, in denen Ungemacht droht, wenn nicht gehandelt wird. Weiteres Ungemach droht bei den Straßen und unseren Kanalsystemen: Alleine unsere Kanalsysteme im Saarland haben zwischenzeitlich einen Investitionsbedarf von rund 1 Mrd. Euro, rund 1000 der 7000 km kommunaler Kanäle sind dringend sanierungsbedürftig.

Dass die Bauwirtschaft seit Jahren dieses „Fahren auf Verschleiß“ anprangert und Investitions- und Sanierungsinvestitionen fordert, wurde lange Zeit als naturgegeben angesehen. Zunehmend prangern dies nun aber auch Wirtschaftsverbände, Wirtschaftsinstitute und zuletzt ein von der IHK Saarland veröffentlichtes Papier an. Demzufolge fehlen im Vergleich zu anderen Bundesländern im Saarland pro Jahr 110 Millionen Euro für Investitionen, die Ausgaben für Verkehr, Hochschulen und die Förderung der Wirtschaft seien real um 50 % gesunken. Um den Substanzverlust von Straßen, Schulen, Verwaltungsgebäuden oder Kanälen zu stoppen, müssten für Sachinvestitionen eigentlich 456 Euro je Einwohner ausgegeben werden, tatsächlich sind es jedoch nur 276 Euro, die das Land und seine 52 Kommunen aufwenden.

Zu den eigentlichen baulichen Schäden kommt zunehmend auch der Imageverlust des Landes, seiner Städte und der angesichts marodierender Innenstädte abnehmende Wohlfühlfaktor der einheimischen Bevölkerung hinzu. Im kürzlich veröffentlichen Städteranking landet der Regionalverband Saarbrücken im Hinblick auf die Lebensqualität unter ferner liefen. Was das Zukunftspotenzial anbelangt, schneidet die saarländische Landeshauptstadt zwar deutlich besser ab – was fehlt, sind die geeigneten und mutigen Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität und der ökonomischen Kraft.

Bei der Politik,  so Wirtschaftsstaatssekretär Barke kürzlich, seien unsere Hinweise und Warnungen angekommen. „Es bestehe weniger ein Wahrnehmungs- als vielmehr ein Umsetzungsproblem“.

Angesichts der zwar engen Handlungsspielräume auf der einen Seite, aber auch der sprudelnden Steuereinnahmen und einer nicht absehbaren Niedrigzinsphase ist es nun „höchste Eisenbahn“, die vorhandenen Aktionsmöglichkeiten und vor allem die Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne unseres Landes und der hier lebenden Menschen zu nutzen.

Zu diesen Aktionsmöglichkeiten gehört für die Kommunen unter anderem auch die Einführung der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge. Bei allem Verständnis für die höheren Ausgaben im Rahmen der Flüchtlingskrise haben wir gerade auch deshalb mittlerweile kein Verständnis mehr für das Jammern der Kommunen, wenn diese die vom Gesetzgeber geschaffenen Möglichkeiten zur Gewinnung von Mitteln für den Ausbau und die Sanierung von Straßen fahrlässig außer Acht lassen. Aus Sicht der Bauwirtschaft – und im Übrigen auch der Vertreter der CDU im Lande – stellt sich die Einführung im Saarland letztendlich als alternativlos dar. Der Saarländische Städte- und Gemeindetag hatte seinerzeit angekündigt, bis Jahresende eine Positionierung zu formulieren; bis dato liegen uns noch keine weiteren Erkenntnisse vor. Die Einführung der Straßenausbaubeiträge setzt eine gewissenhafte Organisation und Vorarbeit, eine Standhaftigkeit, transparente Information der Bevölkerung und letztendlich das Wollen der entsprechenden Stellen voraus. Dass diese mit Bravour, Erfolg und zur Zufriedenheit der Einwohner gemeistert werden kann, beweisen viele  Städte und Kommunen aus unserem Nachbarland Rheinland-Pfalz beispielhaft die  Kreisstadt Pirmasens und die – im Saarland einzige - Kommune Püttlingen.

 

AKTUELLE BAUTHEMEN

Bei den aktuellen baupolitischen Themen möchte ich heute nur auf ein Thema eingehen, dass uns als Bauwirtschaft „unter den Nägeln brennt“:

Gesetzliche Änderungen im Bauvertragsrecht und zu den Ein- und Ausbaukosten

Der Gesetzentwurf zum Bauvertragsrecht enthält zwei Teile: zum einen die im Koalitionsvertrag vorgese­hene Regelung zu den Aus- und Einbaukosten. Zum anderen die insbesondere die Bauwirtschaft treffenden Regelungen zum Bauvertragsrecht. Die Bauwirtschaft kritisiert, dass der Referentenentwurf zwei Themen miteinander verknüpft, die in keiner unmittelbaren Verbindung miteinander stehen, und fordert eine Trennung der Vorschläge. Andernfalls droht eine erhebliche Verzögerung bzw. gar ein Scheitern des für die Praxis wichtigen Gesetzesvorhabens zu den Aus- und Einbaukosten.

Die Reform des Bauvertragsrechts bedarf aus Sicht der Bauwirtschaft einer grund­legenden - und daher zeitkostenden - Diskussion und Überarbeitung. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die bauausführende Wirtschaft würden sich durch eine Umsetzung des Entwurfs deutlich verschlechtern, unabhängig davon, ob es um die Durch­setzung von Vergütungsansprüchen bei den vorgeschlagenen Anordnungsrechten des Bauherrn, um Ab­schlagszahlungen oder Sicherheiten geht. Insbesondere im Hinblick auf das geplante gesetzliche „Anordnungsrecht“ des Bauherren, die vertraglich vereinbarte Leistung nachträglich einseitig ändern zu können, widerspricht dem – auch verfassungsrechtlich gebotenen – Einigungsgrundsatz als gesetzlichem Leitbild. Durch einen derart unausgereiften Referentenentwurf darf die Liquidität der Unternehmen der Bauwirtschaft nicht aufs Spiel gesetzt werden. Eine Diskussion über den aktuellen Entwurf würde zur Verunsicherung und Attentismus bei Investoren, Planern und Bauwirtschaft führen. Vor dem Hintergrund der dringend anstehenden Bauaufgaben sollte alles vermieden werden, was das Bauen hemmt.

Aktuell drängender ist die Regelung zur Mängelhaftung, also den Aus- und Einbaukosten, auf die die Bauwirtschaft dringend wartet. Diese sollten daher von den bauvertraglichen Regelungen abgetrennt und zügig verabschiedet werden.

Kurz zur Erinnerung:  Im Kern geht es bei der Mängelhaftung um die Frage, wer die Ein- und Ausbaukosten infolge mangelhaften Materials tragen muss. Laut aktueller Rechtsprechung schuldet der Bauunternehmer dem Auftraggeber bei einem Mangel neben der Beschaffung neuen Materials sowohl den Ausbau des mangelhaften Materials als auch den Einbau des neuen, mangelfreien Materials auf seine Kosten. Ein Rückgriff des Bauunternehmers gegenüber dem für den Mangel eigentlich verantwortlichen Lieferanten oder Hersteller des mangelhaften Materials ist bislang in der Praxis regelmäßig nicht möglich. Im Ergebnis muss der Bauunternehmer für mangelhaftes Material einstehen, ohne hierfür Regress beim Verkäufer nehmen zu können. Die finanziellen Folgen aus der Mangelhaftigkeit des Materials treffen in der Regel den Bauunternehmer, obwohl dieser den Mangel nicht verursacht hat.

 

Flüchtlinge – Bauwirtschaft als Problemlöser

Zu den bekannten Herausforderungen wie Instandhaltung und Ausbau der Infrastruktur und der energetischen Gebäudesanierung kommt derzeit mit den vielen Flüchtlingen eine weitere Herausforderung in einer bisher nicht gekannten und erwarteten Dimension auf Bund, Land, Städte und Gemeinden zu. Am Beitrag der Bauwirtschaft, gerade auch der saarländischen Bauwirtschaft wird es nicht fehlen!

Wie sehen diese Beiträge nun konkret aus?

Bei der Flüchtlingswelle gilt es – nach der Verteilung auf die Länder und der Erstversorgung –nun vorrangig Unterkünfte und Wohnraum nach dem Modell in Lebach zu schaffen. Gefragt  sind die Gewinnung von neuem, aber auch die Sanierung von preisgünstigem Wohnraum … auch und vor allem in Eigeninitiative und durch Investoren.  Die durch die Politik durchaus geschaffenen Anreize kommen jedoch nur begrenzt an, werden die Mittel doch sofort und vorrangig durch kommunale Gesellschaften abgegriffen – die privaten Initiativen und die Wirtschaft haben wieder einmal das Nachsehen. Darüber hinaus fehlt die seit langem in anderem Zusammenhang schon lange geforderte Verbesserung der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeit, deren Erhöhung von 2 auf 4 % gerade erst kürzlich wieder vom Bundesministerium für Finanzen abgelehnt wurde. Das IW Köln hatte in einer Studie nachgewiesen, dass die ökonomische Abschreibungshöhe, die nach steuerlicher Neutralität bemessen ist, bei 3,8 % liegt. Ein Schreiben von BMF-Staatssekretär Dr. Meister deutet darauf hin, dass der auch aus den Arbeitsgruppen und der Baukostensenkungskommission des Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum vielfach formulierten Forderung nach der Erhöhung der linearen Abschreibung nicht entsprochen werden soll. Zu diesen Vorschlägen gehören weiterhin u.a. die befristete, räumlich begrenzte Sonder-AfA für neue Wohnungen mit Sozialbindungen in „mietpreisgebremsten Gebieten“, eine befristete, räumlich begrenzte degressive Afa und die Erhöhung der linearen AfA auf 3 – 4 %. Auch hier wurden die Vorschläge von vorneherein unter den Finanzierungsvorbehalt des BMF gestellt.

Zu einer gelungenen Integration gehört neben der Schaffung von Wohnraum auch die Bildung. Das beginnt mit der Grundbildung „Sprache“, geht über die Ausbildung bis hin zur Heranführung an und die Integration in das Berufsleben und die Unternehmen. Hier bildet die Saarländische Bauwirtschaft mit seinem Ausbildungszentrum einen ganzheitlichen Ansatz, indem sie seit Mitte November Einsteigersprachkurse für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive anbietet mit dem Ziel, diese Sprachschüler einer Ausbildung in den Bauberufen zuzuführen und letztendlich in die Betriebe der Bauwirtschaft zu integrieren. Angesichts des zunehmenden Facharbeitermangels in der Bauwirtschaft besteht bei erfolgreichem Abschluss eine fast 100 %ige Übernahme- und Bleibegarantie.

Dazu zählt auch das über die SOKA Bau (Sozialkassen der Bauwirtschaft) und die Bundesagentur für Arbeit laufende Programm der „Berufsqualifizierung BAU“, das für alle, nicht nur für Flüchtlinge, aufgelegt wurde. Neben der überbetrieblichen Schulung (Sprache und Technik) gehören hierzu auch Betriebspraktika. In einer ersten Abfrage unter den Mitgliedsbetrieben des AGV Bau Saar haben diese spontan über 100 Praktikumsplätze zur Verfügung gestellt!

Darüber hinaus ist das Ausbildungszentrum hier in Schafbrücke bereit, in den Räumlichkeiten des Internates für 20 jugendliche Flüchtlinge Unterkunft und Verpflegung zu stellen; natürlich auch hier mit dem Ziel, ihnen die Bauberufe nahezubringen.

Was nun fehlt, und zwar sowohl im Bereich der Sprachkurse, der Unterbringung als auch beim Programm der Berufsqualifizierung Bau, das Anfang Februar kommenden Jahres startet, sind die Zuweisungen durch die zuständigen Stellen.

Sie sehen, die Bauwirtschaft ist und steht vielfältig als Problemlöser bereit.

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>> zu den aktuellen Zahlen

 

Sperrfrist:  4. Dezember 2015, 11.00 Uhr

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