13.03.2014

Bauwirtschaft zum Koalitionsvertrag: Das Glas ist halbvoll!

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD ist insbesondere aus der Wirtschaft heftig kritisiert worden. In einigen Punkten sicher nicht zu Unrecht, denken wir nur an die Rolle rückwärts in einigen arbeitsmarktpolitischen Themen und die enorm teuren rentenpolitischen Beschlüsse. Dennoch kann der Koalitionsvertrag im Kern als ein Bekenntnis zu mehr Investitionen und gegen neue steuerliche Belastungen für Bürger und Unternehmen gewertet werden.

Verkehrsinfrastruktur

Auf der Habenseite steht aus Sicht der Bauwirtschaft insbesondere das klare Bekenntnis der zukünftigen Regierungsparteien zu substanziellen Erhöhungen und zur Verstetigung der Mittel für die Verkehrsinfrastruktur. Zu bedauern ist zwar, dass sich die Koalitionspartner dabei nicht auf eine konkrete Summe für die Legislaturperiode festgelegt haben. Das Sofortprogramm in Höhe von 5 Milliarden Euro für dringend erforderliche Verkehrswegeinvestitionen für die neue Legislaturperiode ist allerdings ein guter erster Schritt. Weitere müssen folgen.  Denn die eigentlich notwendigen Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur zur Erhaltung der Werte liegen weitaus höher, nämlich  laut Daehre-Kommission bei jährlich 7,5 Mrd. Euro – und das für eine Dauer von 15 Jahren.  Einer Studie des Instituts für Urbanistik zufolge beläuft sich der Investitionsbedarf allein bei kommunalen Straßenbrücken bis 2030 auf 16 Mrd. Euro bzw. 930 Millionen Euro jährlich. Von den 67.700 kommunalen Straßenbrücken in ganz Deutschland müssen 10.000 bis 2030 ersetzt werden, das sind rund 15 %. 

Deutschland liegt im Übrigen, was die Investitionstätigkeit anbelangt, im europäischen Mittelfeld. 142 Euro investierte Deutschland 2011 je Einwohner in Straßen und Brücken. Der Durchschnitt der übrigen untersuchten Länder – es waren 13 an der Zahl in Europa -  lag bei 226 Euro. Unsere europäischen Nachbarn haben in den letzten Jahren ihre Straßeninvestitionen im Durchschnitt um ein Drittel erhöht. Unter Berücksichtigung der Baupreissteigerungen sanken die Investitionen in Straßeninfrastruktur in Deutschland seit 2000 real um 20 Prozent und erreichten 2011 einen Tiefststand.

Weitere Schritte müssen auch bei der konkreten Ausgestaltung der Überjährigkeit der Infrastrukturfinanzierung folgen. Um diese zu realisieren und Planungssicherheit herzustellen, ist die Einrichtung von verkehrsträgerbezogenen Infrastrukturfonds, verbunden mit langfristigen Finanzierungsvereinbarungen zwischen Bund und Fonds, zwingend erforderlich. Daran werden wir die Regierungsparteien in den kommenden Monaten erinnern!

Erreichen konnten wir darüber hinaus die Ausweitung der Nutzerfinanzierung sowie ein grundsätzliches Bekenntnis zu ÖPP. Die Einführung einer Pkw-Vignette und die Ausweitung der Lkw-Maut auf Bundesstraßen mit der Zusage, dass die zusätzlichen Mittel unmittelbar in die Infrastruktur fließen, sind seit Langem zentrale Forderungen der Bauwirtschaft, die nun erstmals schriftlich vereinbart wurden.

Sozial- und Tarifpolitik

Erfreulich für uns sind die Ergebnisse im Bereich der Tarif- und Sozialpolitik. So soll künftig die Allgemeinverbindlicherklärung nach dem Tarifvertragsgesetz an ein „öffentliches Interesse“ geknüpft werden, dafür soll das 50 Prozent-Quorum entfallen. Auch die Forderung der Bauverbände, die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Allgemeinverbindlicherklärungen den Arbeitsgerichten zuzuweisen, wurde aufgegriffen. Mit der Erklärung, den Grundsatz der Tarifeinheit gesetzlich festzuschreiben, wird eine von den drei Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft bereits im Jahr 2011 erhobene Forderung erfüllt.

Die im Vorfeld diskutierten Verschärfungen im Mitbestimmungsrecht bei der Beschäftigung auf Basis von Werkverträgen konnten auf Informations- und Unterrichtungsrechte beschränkt werden. Ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Beauftragung von Werkverträgen ist damit erst einmal vom Tisch. Negative Auswirkungen für mitbestimmte Bauunternehmen konnten abgewendet werden.

Wohnungs- und Städtebau

Licht und Schatten sind im Bereich Wohnungs- und Städtebau zu finden. Auf der Habenseite stehen das Aktionsprogramm zur Belebung des Wohnungsbaus und der energetischen Gebäudesanierung, die Aufstockung der CO2-Wohnungssanierungs­programme der KfW sowie die Anhebung der Mittel für die Städtebauförderung auf 700 Millionen Euro. Dem stehen jedoch Maßnahmen mit negativen Impulsen gegenüber, wie die Begrenzung der Mieterhöhungsmöglichkeiten bei Wiedervermietung und die Begrenzung der Modernisierungsumlage. Leider sind auch die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung sowie die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung den Sparzwängen zum Opfer gefallen. Hier muss in der konkreten Regierungsarbeit noch nachgebessert werden, um die notwendigen Investitionsimpulse zu setzen.

Energiepolitik

Im Bereich der Energiepolitik wurde leider das Ziel verfehlt, durch grundlegende Weichenstellungen mehr Verlässlichkeit und Planungssicherheit zu erreichen. Positiv für die Bauwirtschaft ist allerdings, dass die wichtigen Themen Speicher und Netze sehr deutlich angesprochen werden.

Auch bei der angebrachten Kritik im Einzelnen: Der Koalitionsvertrag bietet gerade für die Bauwirtschaft eine Reihe von positiven Ansätzen. Ich komme vor diesem Hintergrund zu dem Schluss, dass das Glas halb voll ist. Wir werden dafür kämpfen, dass es in den nächsten Jahren weiter gefüllt wird. Die Voraussetzungen dafür stehen nicht schlecht!

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