07.10.2015

1. Symposium zur kommunalen Baupolitik

„Wer ein kaputtes Dach hat, der lässt es sofort reparieren. Aber schadhafte Straßen?“ Mit diesen Worten eröffnete AGV Bau-Präsident Hans-Ludwig Bernardi das unter dem Motto „Kommunale Infrastruktur vor dem Aus?“ stehende Symposium. Auch Straßen und Wege hätten nur eine begrenzte Lebensdauer und rechtzeitige Instandhaltung spare hohe Folgekosten. Trotzdem, so Bernardi weiter, befände sich ein nicht unerheblicher Teil unserer Verkehrsinfrastruktur in einem beklagenswerten Zustand. Gut zwei Drittel des gesamten Straßennetzes seien Kommunalstraßen. Dennoch beteiligten sich die Kommunen mit deutlich weniger als der Hälfte an den Gesamtausgaben für den Straßenbau. So sei die Finanzierung des kommunalen Straßenbaus mehr und mehr zum Stiefkind der Kommunalinvestitionen verkommen.

Die saarländische Bauwirtschaft habe schon seit Jahren darauf hingewiesen, dass es kontraproduktiv sei, die Mittel für die Unterhaltung der  Infrastruktur zusammenzustreichen. Diese zu kürzen fiele politisch zunächst leicht, weil die Folgen zu Beginn nicht sichtbar würden. In Anbetracht des hohen Konsolidierungsdruckes sei es unverständlich, dass nach der Bestätigung der Verfassungskonformität der wiederkehrenden Beiträge für den Straßenbau durch das Bundesverfassungsgericht bisher nur Rheinland-Pfalz in größerem Umfang und im Saarland nur die Gemeinde Püttlingen von der Möglichkeit Gebrauch machten, die Straßenerneuerung auch über Anliegerbeiträge auf die angrenzenden Grundstücke umzulegen. Den Ankündigungen der großen Koalition im Saarland, die Abgabe landesweit einzuführen, seien leider bis dato keine Taten gefolgt.

„Eine Fortsetzung des andauernden Attentismus – warten wir einfach mal, was kommt – ist aus unserer Sicht schon lange nicht mehr vertretbar. Schlaglöcher als Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung sind nicht der richtige Weg“. Mit diesen Abschlussworten appellierte Bernardi an die anwesenden Bürgermeister und Vertreter der Parteien und Kommunen, sich der neuen Finanzierungsmöglichkeit zu öffnen.

Erfolgsmodell Pirmasens

Als Verfechter der Finanzierung kommunaler Straßenerhaltung über wiederkehrende Anliegerbeiträge stellte Oberbürgermeister Dr. Bernhard Matheis das Primasenser Erfolgsmodell vor, das neben einem gestiegenen Ausbauvolumen auch noch ein hohes Maß an Zufriedenheit innerhalb der Einwohnerschaft seiner Kommune gebracht habe. Auf der Rechtsgrundlage des § 10 a Kommunalabgabengesetz habe der rheinland-pfälzische Gesetzgeber für die Kommunen die  Rechtsgrundlage hinsichtlich der Bestimmung des Gebietes, der Wahl des Beitragssystems, der Bestimmung des Zeitraumes und der Verteilung des Beitragsaufwandes geschaffen.

Pirmasens habe, so OB Dr. Matheis, bis zum Jahre 2000 den Straßenausbau über einmalige Ausbaubeiträge finanziert. Bis zu diesem Datum habe er in der Bevölkerung für seine Vorhaben zwar grundsätzliche Zustimmung zur Planung, dennoch Ablehnung wegen einer zu hohen Beitragslast erhalten. Das Ausbauvolumen in den Jahren  1991 bis 2000 habe folglich lediglich durchschnittlich 300.000 Euro jährlich betragen. Im Ergebnis habe dies zu einem Ausbaustau von rund 75 Mio. Euro, der Gefährdung der Verkehrssicherungspflicht, steigenden Kosten für den Straßenunterhalt, einer Verschlechterung des Stadtbildes und einer geringen Motivation in der Bevölkerung für Fassadenerneuerungen und Verschönerungsmaßnahmen geführt.

Im Vorfeld der Einführung der wiederkehrenden Beiträge habe man in Pirmasens mit Hilfe des GIS das Straßennetz erfasst und einer technischen Zustandserfassung  unterzogen, eine Prioritätenliste erstellt und ein Erhaltungsmanagement Straßenbau eingeführt. Wichtig dabei sei die absolute Abgrenzung der Straßenausbau- von den Unterhaltungsmaßnahmen. Die anschließende Öffentlichkeitsarbeit und die Durchführung von Anliegerversammlungen hätten – auf der Basis einer fundierten Bestandsaufnahme und einer transparenten Diskussionsgrundlage – zu einer hohen Akzeptanz in der Bevölkerung, der Aufwertung des Stadtbildes, zu einer Abnahme von Widersprüchen und Klagen und geringen Beschwerden und Verwaltungsanfragen geführt.

Für Pirmasens hätten sich die wiederkehrenden Beiträge nach mehr als 10 Jahren als Idealkonstellation erwiesen. Aus wirtschaftlicher und stadtentwicklungspolitischer Sicht sei der Straßenausbau finanzierbar und kalkulierbar, man habe einheitliche Straßenbaustandards ohne „faule“ Kompromisse und das Ausbauvolumen sei seit 2001 auf rund 3,6 Mio. Euro pro Jahr gestiegen.  Damit habe man rund 85 Verkehrsanlagen sanieren können, in 15 Jahren insgesamt 37 Mio. Euro im Straßenbau und weitere rund 25 Mio. Euro im Ver- und Entsorgungsbereich investiert.

Abschließend ermutigte Matheis die saarländischen Kommunen, diesen Schritt zu gehen und bot seine Unterstützung beim Aufbau eines entsprechenden Systems an.

Bürgerfreundliches Abrechnungssystem

Klaus Nickels, Fachdienstleister Verwaltung im Eigenbetrieb Technische Dienste der Stadt Püttlingen, informierte über die erfolgreiche Einführung der wiederkehrenden Beiträge im Jahre 2001 in Püttlingen als erste und einzige Kommune im Saarland und die dort gewonnenen positiven Erkenntnisse. Seit Einführung konnten rund 5 Mio. Euro in den Straßenbau investiert werden, davon stammten 65 % aus der Einnahme der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge. Die Akzeptanz seitens der Püttlinger Bürger sei darüber hinaus sehr groß. Zusammenfassend könne er, Nickels, aus der Sicht der Stadt Püttlingen ein äußerst positives Fazit ziehen: „Es ist eindeutig ein bürgerfreundliches Abrechnungssystem und der Straßenausbau kann mit diesem System wesentlich intensiviert werden“.

Unter der Moderation von SZ-Wirtschaftsredakteur Lothar Warscheid diskutierten AGV Bau-Vorstandsmitglied Philipp Gross, der CDU-Landtagsabgeordnete Peter Strobel und sein SPD-Kollege Dr. Magnus Jung sowie in Vertretung des Bürgermeisters der Stadt Püttlingen Klaus Nickels. Die Bauwirtschaft, so Philipp Gross, begrüße die Einführung der wiederkehrenden Straßenbaubeiträge, um eine Verstetigung des Bauvolumens und somit größere Planungssicherheit für die Bauunternehmen zu schaffen. Aus Sicht eines Bürgers sehe er, Gross, die zum Teil äußerst desolaten Zustände der kommunalen Straßen, die dem  Ansehen der Stadt und letztendlich auch des Saarlandes abträglich seien. Die CDU, so Peter Strobel, stehe weiterhin zu dem von ihr im Landtag lancierten Gesetzgebungsverfahren zur verpflichtenden Einführung der Straßenausbaubeiträge für die Kommunen, während sein Kollege Dr. Jung (SPD) sich dem Votum des Saarländischen Städte- und Gemeindetages unterwerfen wolle.

Die engagierte Beteiligung und das hohe Interesse aus dem Publikum bestärken den AGV Bau Saar, bei diesem Thema weiterhin am Ball zu bleiben und zeigt, dass in der Sache noch Bewegung ist;  bleibt zu hoffen, in die richtige Richtung!

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